Zum Asylgesuch von Nekane Txapartegi

Die Schweiz muss entscheiden, ob sie Nekane Txapartegi in der Schweiz Asyl gewährt oder sie nach Spanien ausliefert. Lehnt die Schweiz das Asylgesuch ab, so läuft die Schweiz ernsthaft Gefahr, wegen Verletzung der Anti-Folterkonvention und der EMRK verurteilt zu werden.


 

Folter wird nicht untersucht

Während der Haft im Gefängnis in Madrid schickte Frau Txapartegi einen handschriftlichen Bericht der erlittenen Folter an ihre Anwältin. Diese erstattete mit diesem und den medizinischen Gefängnisakten in Tolosa Anzeige.[1] Das Verfahren wurde nach Madrid weitergeleitet, wo es ohne Untersuchung archiviert wurde. Auch bei einer späteren Wiederaufnahme des Verfahrens kam es, wie in zahlreichen ähnlich gelagerten Fällen, zu keiner Untersuchung. Die Begründung: es handle sich um Selbstverletzungen und Verletzungen aufgrund von Gegenwehr bei der Verhaftung.

Terrorismusverfahren – Makro-Prozess 18/98 und Tribunal Supremo

Der auf die erfolterten Aussagen gestützte Strafprozess gegen Frau Txapartegi fand vor der Audiencia Nacional statt. Vor diesem Gericht wurden die spanischen  Terrorismusfälle unter harter Hand geführt. Frau Txapartegis Fall war Teil des sogenannten Makro-Prozesses 18/98, in dem 47 Beschuldigte aufgrund von ihren politischen Aktivitäten für ein freies Baskenland für Mitgliedschaft und Kollaboration mit der ETA verurteilt wurden. Während dieses Prozesses denunzierte Frau Txapartegi die erlittene Folter vor Gericht, was in einer Videoaufnahme dokumentiert ist.[2] Nekane Txapartegi wurde von der Audiencia Nacional dennoch wegen Mitgliedschaft der ETA sowie Kollaboration mit der ETA zu 8 Jahren Haft verurteilt.[3] Im Wissen um diesen politischen Prozess, schaffte es Nekane Txapartegi bereits vor der Urteilsverkündung der Audiencia Nacional ins Ausland zu fliehen.

Gegen dieses Urteil erhob Nekane Txapartegi Beschwerde an das Tribunal Supremo. Auch dieses Gericht entschied im Makro-Prozess 18/98 politisch. Gestützt auf die Folteraussagen verurteilt sie das Tribunal Supremo wurde wegen Kollaboration mit der ETA zu einer Haftstrafe von 6 Jahren und 9 Monaten. Die Verurteilung wegen Mitgliedschaft der ETA, welche sie auch unter Folter nicht hatte gestehen müssen, wurde umgestossen.[4]

Verhaftung in der Schweiz

Seit mehreren Jahren lebt Nekane Txapartegi in der Schweiz im Exil. Im April 2016 wurde sie hier verhaftet, weil Spanien ihre Auslieferung fordert. In Spanien wurde sie bereits gefoltert, inhaftiert und aufgrund der Folteraussagen verurteilt. Zudem erwartet sie jetzt in Spanien eine mehrjährige Haftstrafe für Taten, die sie nie begangen hat. Frau Txapartegi hat inzwischen in der Schweiz Asyl beantragt, um sich vor weiteren Menschenrechtsverletzungen durch die spanischen Behörden zu schützen. Denn in Spanien droht ihr eine schwerwiegende Verletzung der Anti-Folterkonvention[5] und ihres Rechts auf Freiheit (Art. 5 EMRK).[6] Hinzu kommen Haftbedingungen, die für die schwer traumatisierte Frau unmenschlich und erniedrigend sind und mit der Gefahr weiterer Folterungen und unmenschlicher Behandlung einhergeht (Art. 3 EMRK[7] und Anti-Folterkonvention[8]).

Schlussbemerkung

Die Schweiz muss nun entscheiden, ob sie Frau Txapartegi in der Schweiz Asyl gewährt oder sie nach Spanien ausliefert. Lehnt die Schweiz das Asylgesuch ab, so läuft die Schweiz ernsthaft Gefahr, wegen Verletzung der Anti-Folterkonvention und der EMRK verurteilt zu werden.

 

Stephanie Motz, Barrister

[1] Strafanzeige von Nekane Txapartegi, 15.06.1999.

[2] Das Video ist hier: abrufbar: https://freenekane.noblogs.org/nekanes-aussage-vor-gericht-zur-folter/

[3] Das Urteil der Audiencia Nacional ist auf Anfrage erhältlich.

[4] Das Urteil des Tribunal Supremo ist auf Anfrage erhältlich.

[5] Entscheid des UN Anti-Folterkomitees, Orkatz Gallastegi Sodupe gg. Spanien (CAT/C/48/D/453/2011), § 7.4.

[6] Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Othman (Abu Qatada) gg. Vereinigtes Königreich, no 8139/09, 17.01.2012, §§ 231-233, 235; Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Willcox and Hurford gg. Vereinigtes Königreich, nos 43759/10; 43771/12, 8.01.2013.

[7] Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Soering gg. Vereinigtes Königreich, no 14038/88, 07.07.1989, §§ 88-91; Aswat gg. Vereinigtes Königreich, no 17299/12, 16.04.2013, §§ 56-58.

[8] Entscheid des UN Anti-Folterkomitees, Josu Arkauz Arana gg. Spanien (CAT/C/23/D/63/1997), §§ 11.5, 12.